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Leichtfüßlerisch in den Juni.

In den Arènes de Lutece spielt jemand Fußball. Der Ball schleudert gegen die Mauer, prallt wieder ab. Ich stehe nicht auf, um mir das Gesicht der Person vom Fenster aus anzusehen. Ob er auf jemanden wartet? Ob er noch nicht nach Hause möchte? Ob er seinen Arbeitsmontagsgefühlen freien Lauf lassen möchte?

Nach einem ruhigen Wochenende mit dicken Pariser Regenkullern und Kuchen auf der Terrasse in der Rue Buci ist Montag und dieses Mal gibt es keinen Feiertag, der uns bis Freitag bei Laune hält. Und obwohl ich die nächsten Tage mit To-Do-Listen vollgeschmiert habe, ist mir jetzt danach euch schon einmal davon zu erzählen. Eine Art Vorschau.

Verschiedene Dinge möchte ich diese Woche ausprobieren, erleben. Da ist zum einen das Arbeiten in einem Café. Auch wenn es nach Mademoiselle Möchtegern aussieht, ist es doch eine willkommene Abwechslung in, wenn auch fremden, hübsch eingerichteten Wänden zu sitzen, zu grübeln, Lösungen zu finden, zu tippen und dabei Tee zu schlürfen. Natürlich braucht es dazu die dicke Brille auf der Nase. Der Ort ist dabei der Schlüssel zum Wohlfühlworking. Prinzipiell habe ich da keine Lust, erst die Seine zu überqueren (man will ja schließlich produktiv sein). Auf der rive gauche allerdings ein cosig-boehmisches Ambiente zu finden, ist allerdings wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Natürlich könnte man es sich auch in einem Starbucks einrichten, dort ist es aber genauso kuschelig wie auf einem Schulhof. So habe ich mir ein Café im Nachbarquartier ausgesucht: Sugarplum Cake Shop. Allein der Name ist einen Besuch wert (68, rue du Cardinal Lemoine, 75005 Paris) und klingt wie für einen Freitagnachmittag mit hitzigen Wangen und kribbeligen Fingern geschaffen: http://www.sugarplumcakeshop.com/coffee-shop-fr/

Am Mittwochabend findet ein modisches Ereignis im Marais statt. Das Männermagazin GQ lädt die Messieurs zu einer Shoppingtour durch das III. Arrondissement ein. Die Namensliste der teilnehmenden Läden ließ einen kleinen Jubel in meinen Venen einen Mambo hinlegen: COS, Loft, Eleven Paris etc. Und da kam mir der bittere Gedanke, wie schlau Werbung doch sein kann. Schließlich fing es damit an, dass die Einladung in einer Frauenzeitschrift klebte. Soll das der Trick sein: Frauen sollen ihre Freunde bequatschen, damit sie sich ein schickes Dreiecks-t-shirt in einer Pastellfarbe kaufen und dann, tütchenschwenkend, einen Cocktail am Bartresen schlürfen? Na, so recht wusste ich nicht und zeigte die Einladung meinem männlichen Mitmenschen. Reaktion war eindeutig: „Aha“. Allerdings wäre es interessant die Schnipseljagd nach Prozenten am Mittwoch als Spürnase zu verfolgen und dabei einen Cocktail zu trinken. Damit sich wenigstens irgendjemand amüsiert…

Am Donnerstagabend habe ich das Vergnügen, das Stück „Liliom“ von Jean Bellorini in den Ateliers Berthier zu sehen. Dieser Regisseur ist ebenso Leiter des Théâtre Gerard Philippe in Saint-Denis. Vor ein paar Jahren sah ich schon „Die gute Seele von Se-Tchouan“ von ihm und war hingerissen. Seine Inszenierungen scheinen immer eine Mischung aus Märchen und Dramatik zu sein. Dennoch geht niemand mit gesenktem Kopf aus dem Theater und verspürt den Wunsch sich einzuschließen. So hat es etwas Bezauberndes an sich, Funken sprühen, warme Lichter gehen an und dabei setzen harte Worte ein. Seit Tagen spreche ich schon von dieser Aufführung und freue mich auf einen weiteren Bellorini-Abend. Wenn ihr in Paris seid, könnt ihr vielleicht noch eine Karte ergattern. Ich bin davon überzeugt, dass es sich lohnen wird.

Freitagabend geht es dann noch einmal ins Theater und zwar ins Théâtre national de Chaillot. Ehrlich gesagt, bin ich noch nie dort gewesen, da es von außen allein schon prächtig und einschüchternd wirkt. Auf dem Place du Trocadéro wird aber die Aussicht fabelhaft sein (gegenüber vom Eifelturm, hurra). Falk Richter und Anouk van Dijk werden dort drei Tage lang eine Inszenierung namens „Complexity of belonging“ zeigen. Was wird es wohl? Theater, Tanz, Tanztheater, Gewusel? Keine Ahnung. Ich sah schon einmal ein Werk Richters und fand es anfangs verstörend. Je länger ich es aber auf mich wirken ließ, umso mehr fand ich Gefallen daran. Durcheinander im Ton, in der Sprache, im Ausdruck, im Verhalten, in den Bewegungen. Es geht um das Sein, um das Ich im Wir-Du-Ihr-einander. Den unzähligen Masken, die wir jeden Tag auflegen. Der Selbsterkenntnis. Wird auch am Freitag davon berichtet werden?

Um das Wochenende gebührend zu feiern, möchte ich einem Klassiker nachgehen: der Spaziergang im Marais. Ja, am Mittwoch wird er maskulin-neon-farben, am Sonntag jedoch ist Platz für Touristen, Schaulustige, Bummler. Es ist ein Muss durch die Rue des Rosiers zu laufen, von ihrem Geruch eingenommen zu werden; an teuren Boutiquen und geschichtsträchtigen Gebäuden vorbeizulaufen, sich von dem Strudel mitreißen zu lassen (Apfel-und Menschenstrudel) und den Sonntag halblaut in den engen Straßen zu verbringen. Und solange das Wetter mitspielt, gibt es auch nichts dagegen einzuwenden.

Das klingt nach einem Plan. Plänen. Niemand spielt mehr Fußball in den Arènes, also höre auch ich jetzt auf zu tippen und widme mich einem Buch.

Ich wünsche euch eine sonnige, lebhafte Woche.

A bientôt les amis!


Il était une fois ...

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