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Pariser Palmen unter grauen Regenkullern.

Um vier wird es mittlerweile draußen dunkel. Hier läuft die Filmmusik von Almost Famous, die ich gleichzeitig mit meinem ersten Mal Erwachsenenkino und Musikfilm verbinde (ohne das Pinguine und Affen tanzend durch das Bild tangoieren).

Jetzt sind schon fast zwei Wochen um und ich habe es heute endlich geschafft meinen ehemals Unischreibtisch aufzuräumen, der die letzten sechs Monate zur Ablagefläche wurde. Lange habe ich mich mit der Frage des Nutzens und der Dekoration dieses Tisches nach dem Studium beschäftigt. Er ist schließlich die Oberfläche, auf der Ideen geschmiedet und verbuntet werden sollen. Ich bin froh, dass er nun schließlich bleibt und weiter verwendet werden kann. Ich mag seine Farbe, die ich ihm letzten Sommer in Latzhosen, bei 40 Grad im Schatten und lauter Musik verpasste, während ein Klempner in der Küche Rohre verdichtete und im Hof die Verkäuferinnen vom Laden gegenüber hin-und wieder in ihren Lagerraum hinabstiegen um überteuerte Minitaschen in großer Verpackung heraufzuholen. Wie dem auch sei, seit knapp 30 Minuten sieht der Tisch büro-ig aus. Eine große Hilfe waren mir dabei Muji, dessen Laden und Inhalt, wie die zenmäßige Schachteln, in mir eine Ruhe auslösen, die vermutlich nur in einem Yogakurs zu erlangen ist (30, rue Saint Sulpice, 76005 Paris). Und, endlich, La Joie de vivre, ein hübscher, kleiner Dekoladen am Boulevard Saint-Germain, an dessen Fensterscheibe ich mir jedes Mal die Nase platt drücke, wenn ich vorbeigehe (72, rue de Seine, 75006 Paris). Heute Nachmittag bin ich also hineingegangen und war ganz bezaubert von all den Mustern, Lampen, Kissen und anderem Schnickschnack. Eine wirklich gute Adresse für Geschenke, Schlussverkauf und diverse Gestaltungsideen für die eigenen vier Wände (da alles leider auch seinen Preis hat). Da mein Herz und ich bald unsere Bibliothek verschönern wollen, bin ich sicher, dort etwas Passendes zu finden.

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In den letzten Tagen war ich unverschämt oft im Museum. Obwohl ich eher der Theatertyp bin, muss ich sagen, dass es immerhin schon drei Besuche in zwei Wochen waren!

Da war zum einen die Ausstellung zum Thema Tattoo im Musée de Quai Branly (Tatoueurs, Tatoués noch bis zum 18. Oktober 2015 zu sehen). Von den Wurzeln der Nadel- und Farbengeschichte, über die unterschiedlichen Anwendungsmethoden im Zeitzyklus und in diversen Ländern über die irrsten Tattoos, die sich Menschen haben stechen lassen. Ich finde, dass das oft von wahnsinniger Courage zeugt und einen wirklichen „Oh la la“ – Charakter hat, doch wird es wohl bei mir nie dazu kommen (Feigling, der Angst vor Nadeln hat). Zudem glaube ich nicht, dass man sich ein Motto auf die Haut stechen lassen muss, das kann man genauso gut auf ein Post-It schreiben und an den Spiegel kleben oder einrahmen und auf den Nachttisch stellen. Was ist, wenn es mir irgendwann nicht mehr gefällt oder der Tattoostecher (heißen die so?) es verpatzt oder ich währenddessen niesen muss? Ich meine die Haut trage ich mein Leben mit mir (jaja, normal, klar, logisch). Und durch Kleidung und Haarschnitte kann sie Zeuge oder Gegenstand, wenn nicht sogar Utensil expressiver Phasen sein. Stellen Tattoos also eine Art Brandmarke da? Sollen sie an ein „lebenswichtiges“ Ereignis erinnern? Aber woher weiß man mit sagen wir mal 20 Jahren, welche Erfahrung für das weitere Leben mal so prägnant sein wird, dass es einen Platz auf dem Unterarm verdient hat? Sollte man nicht eher zum Stift greifen, wie J.D. Salinger oder verhindert das Tattoostechen eine Überschwemmung des Buchmarktes von Autobiografien, die sich in Krimskramkisten für 1 Euro nach drei Jahren wiederfinden würden?

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In der zweiten Ausstellung, im Musée d’Orsay, ging es um Sadismus, abgeleitet von Sade, dem Schriftsteller und der Behandlung dieses Themas in der Malerei (Sade. Attaquer le soleil noch bis zum 25. Januar 2015). Allerdings fand ich diese nicht richtig durchdacht. Es reicht nun einmal nicht, wahllos Zitate zu nehmen und ein Bild aus dem Jahrhundert auszuwählen, welches ein Wort aus dem Satz aufgreift. Da stellt sich auch die Frage, was der Schriftsteller im Museum zu suchen hat? Vor ein paar Jahren wandte sich dasselbe Museum dem Thema der Mode zu und liierte die Werke mit Zolas Roman „Le Bonheur des Dames“ (Das Paradis der Damen). Diese fanden sich zwar auf derselben thematischen Wellenlinie, hatten aber ansonsten kaum etwas miteinander zu tun. Es erscheint auch, dass mittlerweile Themen zu Ausstellungen gemacht werden, die man normalerweise nicht im Museum erwartet. Es stellt sich jedes Mal die Frage nach dem Inhalt der Kunst. Wie weit geht sie? Was nennen wir Kunst? Geht es in solchen Ausstellungen, wie zum Beispiel dem Tattoo oder dem Street Art (Ausstellung in der Espace Fondation EDF Street Art, l’innovation au coeur d‘un mouvement noch bis zum 1. März 2015) um eine Vermarktung der „Produkte“? Schließlich reden wir hier von Aktivitäten, die einen Identitätswert ausdrücken, eine Lebensart, eine Mittelungsform. Wird dieser nicht der Wert genommen, wenn man sie hinter eine Glasscheibe hängt und zur Vernissage Champagner reicht? Sicher passiert diese Banalisierung oder ist dieser Ausstellungscharakter nicht mutwillig so gedacht oder in Szene gesetzt, doch wenn in einer Ausstellung mehr Marc Jacobs – Taschen als kreative Betroffene anzutreffen sind, sollte man sich doch darüber Gedanken machen. Sind diese Themen also nur in Mode oder wird da wirklich ein Wert erkannt? Soll es zu einer zukünftigen Geldquelle werden, wenn sich Models mit Tattoos ablichten lassen oder Karl Lagerfeld als Graffiti auf den Champs-Elysées prangt (was nicht der Fall ist, noch nicht)? Fragen über Fragen… die allerdings nicht auf den Sadismus zutreffen, das wäre einfach nur pervers und kein Verkaufsschlager.

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Es wurde in meinem Kopf diese Woche viel nachgedacht. Ein wenig hatte ich Lust den ganzen Tag über mich unter meinen zahlreichen Kissen zu verstecken. Es schien, als sei ich nicht ganz auf der Höhe, als wäre jeder zweite Schritt ein Wagnis, so als würde das Eis unter mir zusammenbrechen. Es musste die innere, aufkeimende Angst wieder zurück in den Gefrierschrank gelegt werden. Mutig sein, ist doch schließlich das Motto. Eine Wahl treffen und dafür einstehen, ohne Angst zu haben von der Wolke zu fallen. Doch, wie schon meine Chorleiterin in der Grundschule sagte: „Lampenfieber ist ein entscheidender Faktor. Es muss da sein, wenn du etwas Unbekanntes antrittst.“. Und damit hatte sie verdammt recht. Also ändere ich im Moment die Zutaten, um aus einer verpatzten, kopflastigen Woche beschwingte, flatterhafte Tage zu machen. Ob wohl eine Kuchenform dafür reichen wird? Das werden wir beim nächsten Mal besprechen…

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Habt ein schönes Wochenende!


Il était une fois ...

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