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Du hast den Farbfilm vergessen.

  • crabette1
  • 27 mai 2015
  • 5 min de lecture

(Seit zwei Tagen versuche ich nun schon diesen Text mit Bildern zu verzieren. Aus mir unbekannten informatikherrschsüchtigen und boshaften Gründen will das aber nicht klappen. "Puh", wie Pustekuchen, Pusteblume, dann eben ohne. Bitte entschuldigt diese weißen Lücken und erfreut euch trotzdem an den Worten. Kommentare sind wie immer gern gesehen.)

Gerade wollte ich aus dem Haus gehen, da wurde der Himmel bleifarben. "Gut", dachte ich mir, "dann raus aus den klackernden Schuhen, Tee kochen und es den Wortspielen auf der Couch mit Otis Redding bequem machen." Währenddessen Otis also den Ohren einheizt, wirbele ich die Seiten im Kalender auf und bleibe an Leimresten kleben. Stelle nur ich mich dabei andauernd so schusselig an? Es geht also einen Monat zurück. Und, wie ich es das letzte Mal versprach, war/ist jede Menge Paris dabei.

Es fing mit folkischen Schwestern im Point Ephémère an. Der am Kanal gelegene Konzertsaal ist perfekt für Konzerte und Treffen mit Freunden, die ebenfalls, umringt von Graffiti, kurzen Röcken und zerzausten Haaren, am Ufer sitzen und Bierschaum schlürfen. Nach langen Arbeitstagen ziehen sie die neuen Kostüme aus, werfen sie auf einen Sessel und machen sich auf die Suche nach musischen Erquickungen. Robuste Schale, herzliche innere Klopfmaschine – jeder kann hin und mitmachen. Die Staves, weinverliebte talentierte Mademoiselles, genossen den Abend und schunkelten mit den Zuschauern. Im Raum hörte man in den kurzen Lufthol- und Nipppausen: "Sie sind ja so talentiert!" oder "Sie sind ja so niedlich!". Keine Plappertaschen, jedoch hinterlassen sie einen rhythmischen Eindruck. Lange hielten sie in meinem Ohr fest, auch noch Tage später. Ein wunderbarer Abend.

Um gut gelaunt in den Mai zu starten, konnte ich es mir nicht nehmen lassen, brunchen zu gehen. Hierbei muss ich anmerken, dass frühstücken bei mir keine himmelhochjauchzenden Empfindungen auslöst, wie anscheinend bei den meisten Verfassern und Nutzern diverser medialer Plattformen. Doch, hin-und wieder, hat es etwas für sich. Daher ging es an einem verregneten Sonntagmorgen nach Montmartre ins Les Inséparables. Jene von euch, die, so wie ich, nur zu gern auf Inneneinrichtungsseiten herumstöbern, werden in diesem schnieken Restaurant diverse Mobiliare wiederfinden und insgeheim lächeln. (Zum Beispiel hängt dort ein sonnenförmiger Spiegel, den ich mittlerweile auf jeder Deko-Haben-Liste gesehen und immer noch nicht entschieden habe, wie ich ihn nur finden soll.) Davon abgesehen war es vollkommen. Von den Kissenbezügen bis zum Quark; vom Möhrenkuchen bis zum Waschbecken. Ist man allerdings ein halbäugiger Frühstücker, dann sollte sich beim Brunch im Inséparables Zeit gelassen werden.

Resultat: Quantität, Qualität, Einrichtung, Service – ein perfekter Start in den Mai. Und hier noch die Adresse: 12, rue Francoeur, 75018 Paris.

Bleiben wir am besten gleich bei kulinarischen Adressen und wagen einen Zeitsprung. Am letzten Wochenende roch ich früh um acht schon die Sonnenstrahlen. Ein tolles Gefühl. Man wird früh wach und ahnt, dass der Tag gut wird. Nicht nach Disneyrezeptur, nur simpel und liebevoll. Also konnte ich mir ein Terrassenmittagessen nicht nehmen lassen. In der Nähe des Odéon hat vor ein paar Monaten ein neues Restaurant aufgemacht "Le Hibou" (die Eule). Das intensive Blau der Fassade zieht wirklich jeden Blick auf sich und flüstert leise "Komm, setz dich hin und schau dir die Passanten an.". Da Paris aber keine 50 Personen-Gemeinde ist, hören diesen Ruf Touristen, Einwohner, Trendsetter, Geschäftsköpfe und romanesque Gestalten. Will sagen: Es ist immer voll. Am Samstag jedoch muss sich unser Engelsschein verausgabt haben, denn wir bekamen einen Tisch für zwei. Nun muss man sich zwar bei der Tischstellung wirklich lieben (den Cafépartner und den Nachbarn), aber das war es wert. Die Marketingabteilung hat auf fast jeden Gegenstand den Namen drucken lassen, aber das kann man aushalten (und es ist noch lange nicht so aufdringlich wie im Flore). Das Essen war gut, wenn auch nicht granatastisch. ;) Wie auch im Inséparables lässt sich allerdings nicht über die Qualität der Produkte streiten. Die Preise bieten ein gutes Beispiel für das Gesprächsthema "Wie hoch ist die Lebensqualität in dieser Stadt?", sind für das 6.Arrondissement (denn man sollte nie vergessen wo man sich befindet) entsprechend gut. Sollte euch allerdings einmal nach rustikaler Trendsetter-Boehmien-Küche sein, dann solltet ihr unbedingt die Cantine in Belleville aufsuchen. Immer gut besucht. Gute Küche. Gesprächiges Ambiente mit Hinz und Künz.

Nach einer Woche beruflichem Auswärtssein, kehrte ich in die immer noch vom Regen verschleierte Stadt zurück. Da ich von zu Hause aus arbeite, gibt es oft Tage, an denen ich die Flucht nach vorne antrete. Dann muss ich raus, Zweibeiner in ihrem Berufsalltagsleben auf den Avenues kreuzen. Allerdings bietet es sich dabei auch an, ein wenig spazieren zu gehen, um den Kopf frei zu bekommen. Ich könnte in einem Open Space wahrscheinlich nicht eine Woche überstehen, daher bin ich über die jetzige Situation sehr zufrieden. Zudem begegnet man tagsüber niemanden, der ebenfalls in einem wochenendlichen Schritt durch die Boulevards läuft. Bei den Alltagspirschen lüstere ich vor den Auslagen der Geschäfte, entdecke Cafés, blättere durch Bücher für 50 Cents, drücke auf den Knopf des Fotoapparates. Schönes Sein.

Kommen wir nun zum Theater (klopf, klopf, klopf). Wer von euch träumt von einer Begegnung mit Charlie Chaplins Nachfolgern? Im Théâtre du Rond-Point war dies möglich. Seine Tochter, Victoria, und ihr Mädchen, Aurélia, nahmen die Zuschauer in Murmures des Murs auf eine wundersame italienische Reise mit. Mit Kisten, Zellophanmonstern, gerippten Stühlen und Tischtanz entflogen unsere Gehirne dem 21. elektronisiertem und auf Abruf bereitem Jahrhundert. Es war spannend, komisch – ein zirkushaftes Versteckspiel. Keine Sekunde ohne Bewegung, kein Atemzug wurde ausgehaucht. Und alles ohne laute Worte. Nur Geflüster. Murmeln. Es war als tänzelten Dorothy's Zauberschuhe über die Bühne und hinterliessen Glitterspuren. So still habe ich schon lange nicht mehr einen Zuschauerraum gesehen (bis auf die Jugendliche, die neben mir schnarchte).

Still ging es bei Degeneration von Hofesh Shechter im Théâtre des Abbesses nicht zu. Eine Stunde lang brüllte die Musik und stampften die acht Tänzer ihren Kampfesmut und Angsttränen hinaus. Zuerst erschrocken, wurde man von den gewaltvollen Bewegungen aufgewühlt, spürte die Zerbrechlichkeit, ein Fluchtgefühl. Mit geballten Fäusten wusste man nicht wogegen man ankämpfte – bis man in ein schwarzes Loch fiel. Dieses war der erste Teil. Um das Herzgeflattere zu stutzen, beschwichtigte sich der zweite Darbietungsteil mit einem allseits bekanntem Thema: die Liebe. Dem magischen Band, welches sich um zwei Personen wickelt und dem Moment, in dem es einer der Partner durchschneidet. "Always look on the bright side of life" – ein Lied, dass uns ein Lächeln bescherte. Im letzten Drittel kamen die Tänzer zusammen und wirbelten ihre Köpfe zu Elektromusik herum. Das war nicht gefühlvoll, sondern unter Strom stehend. Was passiert wenn diese elektrisierende Spannung aufhört? Wenn dieses wilde Gerenne zum Stillstand kommt? Ist das dann wie der Sonntagnachmittag oder der gigantische Knall? Ist der Erwartungshorizont mittlerweile so hoch geschraubt, dass wir uns nicht mehr konzentrieren, besinnen können, wenn es nicht im Terminkalender unter "Weihnachten, Zweiter Feiertag" geschrieben steht? Gießen wir in unseren Café ein wenig innere Ruhe um das Miteinander zu erleben, sei es nun mit unbekannten oder vertrauten Menschen.

Sonnenstrahlen aus Paris, damit eure Woche weiterhin rosig wird/bleibt/ist ;)


 
 
 

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