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Auf der Suche nach einem yellow submarine.

Das letzte Mal berichtete ich von einem Wochenende in der französischen Campagne, das nur eine zweistündige Zugfahrt entfernt war. Nun ist es aber so, dass der Pariser auch mal einen absoluten Tapetenwechsel braucht, und sei es nur um am Ende wiederzukommen und festzustellen, dass keine Stadt einen solchen klassischen Charme wie Paris hat.

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Wieder einmal packte ich eine Tasche und setzte mich in einen Zug. Seit langem hatte ich zum ersten Mal ein wenig wackelige Knie, da mein Reiseziel eine Fahrt durch den Ärmelkanal benötigte. Ein Zug unter dem Wasser? Schon die Nacht zuvor träumte ich von riesigen Fenstern um die wohl gewaltige und dunkle Wassermenge ansehen zu können…(dachte ich wirklich Fische beobachten zu können? Ja, aber ich muss zu meiner Verteidigung sagen, dass es ein Traum war!). Am Gare du Nord wurde am Tee geschnüffelt, den man wohl für explosiv oder nicht britisch hielt. Zweieinhalb Stunden später trafen wir in Londinium an. Eine Stadt, die ich schon mit 14 Jahren besuchte und von der ich fasziniert war. Dieses Mal, 12 Jahre später, war ich wild entschlossen, endlich einen Fuß in ein Pub zu setzen und nachts durch die Straßen zu sherlockieren. Mit unseren Rucksäcken bepackt traten wir den Weg einmal quer durch die Stadt an, um in unserem gebuchten Schlafgemach anzukommen (eher Auberge espagnole als Downton Abbey). Wer hätte gedacht, dass diese Stadt so groß ist?! Oh la la, vier Tage quer, parallel und niemals gerade unterwegs, haben meine Füße zum Glühen gebracht…

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Ich erspare mir die „Was ich alles gesehen habe“ – Liste und möchte eher von ein paar Eindrücken berichten. Londinium war eine Hüpfburg für meinen Fotoapparat. Alle paar Meter machte es ‚klick‘, da ich von den bunten Fassaden der Wohnhäuser fasziniert war. Doch nicht nur das; die kitschigen Auslagen, die raffinierten modischen Erscheinungen (am ersten Tag denkt man sich noch ‚Zirkus‘, am letzten Tag erkennt man darin einen gewissen Reiz), Street Art und eine wirklich überwältigende Menschenmenge wirbelten meinen Kopf 12 Stunden am Tag in alle Richtungen. Das nenne ich mal eine Hauptstadt! Dagegen scheint Paris ein ruhiger Vorort ohne Gemüsegärten.

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Wie es sich gehört, strömten mein Herz und ich in die Parks, Hyde Park, Kensington Garden. Für letzteren habe ich wirklich eine Schwäche (nicht nur wegen der Peter Pan-Figur; er ist wirklich charmant!). Es war an einem nicht enden wollender Tag, der mit breakfast und tea (Allerdings wurde meiner Teeseele ein kräftiger Schlag verpasst, da die Stadt geradezu von Coffee to go erobert wurde... Was für ein Desaster!) anfing, nach Notting Hill überging, Paddington anstrebte, „O sole mio“ in Little Venise sang, Fotos im Kensington Garden schoss, den Fuß auf die Abbey Road stellte und mit Sherlock eine Pfeife rauchte. Ein sonniger Tag. Genussreich. Wir hatten bewusst den Sonntag für Notting Hill gewählt, um nicht am Vortag von Touristen gefuttert zu werden. Diese Entscheidung hatte sich wirklich bezahlt gemacht, denn somit konnten wir in Ruhe Schallplatten durchschauen und Kuchen in der hummingbird bakery naschen.

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Als ich so durch Paddington lief, sah ich mich im Inneren dort auf eine Alltagsweise durch die Straßen spazieren und Erledigungen tätigen. Wäre London ein Ort für mich? In den darauffolgenden Tagen dachte ich lange darüber nach und glaube, dass es ein gutes Pendant zu Paris ist. Wenn man einmal Lust auf bodenständige Farbexplosion und prächtige Schuhe, wie im Geschäft Poetic License, hat, dann ist es durchaus vorstellbar ein paar Tage oder Wochen zu verbringen. Weit weg von klassischem Simplizismus in schwarz und weiß, das am Abend zum Apéro bei Wein und Kräckern einläd. In Londinium wäre es wohl ein Pub, guter britischer Rock und ein schnörkelloser Hut auf dem Kopf. Auch nicht zu verachten und so good!

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Es scheint als sein alles in Londinium möglich. So als hätte jeder seinen persönlichen Abrakadabra-Spruch, um durch den Tag zu wandeln. Und doch... man kann sich schwerlich Schornsteinfeger in den Straßen vorstellen, weil alles durch ein knalliges Etwas überrumpelt wird. Eine Übersättigung der Augen, vieles scheint "amazing" und "unbelievable". Im Guide de Routard stand die folgende Frage: "Trifft man noch Punks in London?". Tatsächlich sah ich einen Punk, der sich in der Saatchi Gallery mit Touristen fotografieren ließ. Es kommt also folgender Gedanke auf: Ist London, wie Paris, eine Stadt, die vom Genuss und des Bobo-Blings eingenommen wird? Sicher, man wünscht sich nicht die Oliver Twist-Zeit zurück, aber wie wird sich diese Stadt in den nächsten Jahren entwickeln? Wird dieser Farben-Genusspfuhl explodieren? Wird der Alltag immer mehr und häufiger den Unterschied zwischen Bohème und marketinghaftem Geklimpere aufzeigen? Und, versuchen Cafés, Läden etc mit poetischen Namen und Holzmöbeln eine Brücke zu bauen? Ist es an der Zeit dem Coffee to go Ketten anzulegen und wieder zum Tee zurückzukehren?

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Einen schönen Sonntagnachmittag!

A bientôt !


Il était une fois ...

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