Der November trägt einen Sonnenhut.
- crabette1
- 3 nov. 2014
- 3 min de lecture
Und dieses Mal ging es in den Süden. Lag es an der Region? Wohl kaum, jedoch erfüllten die warmen 20 Grad mein Herz mit Freuden und ließen geschmeidig die Haare trocknen. Dazu ein wenig Tee, viel zu viel zu futtern und „Erwachsenengespräche“: Steuern, die Jugend, die Arbeit. Wieso können manche Menschen nicht humorvoll sein, sondern müssen sich immer an negativen Erfahrungen, Ängsten oder Klischees aufhalten? Und vor allem am Wochenende! Und das Schlimmste ist, wenn einem selbst nichts mehr Aufbauendes einfällt, als über das Wetter zu reden. Klimakatastrophe. Erderwärmung. Und irgendwann scheint der Kopf zu explodieren und man stimmt zu: „Jaja, die jungen Menschen haben keinen Respekt und kennen keine Grenzen mehr.“.

Ein Ausflug nach Grignan, einem hübschen kleinem Ort nahe Montélimar, stimmte mich wieder gut. Ein romantisches, intimes Schloss, eine wunderbare Aussicht auf Bäume, die Dächer der Stadt und die Berge – und man hat gleich das Verlangen zum Stift zu greifen und Postkarten zu schreiben. Tralalalalala… Hat sich so Proust gefühlt, als er in Cabourg auf das Wasser starrte, Kekse in schwarzen Tee tauchte und seine Gedanken genauso sanft dahin rieselten, wie der Sand im nordischen Wind? Man möchte es annehmen. Wir tauschten krümelige Kekse gegen zuckrige Crêpes ein und ließen die Füße von der Sonne wärmen.

Sonntag war Markttag. Nach einem Bärenschlaf ging es nach Romans, einer entzückenden Stadt, die zum Gemüse- und Huhneinkauf lud. Wir liefen mit unserem Korb in der einen Hand über die Brücke, überquerten die schimmernde Isère und mischten uns unter die Menge (und wichen Clowns aus… Noch nie fühlte ich mich zu Menschen mit roten Nasen und gelben Latzhosen angezogen!). Der Korb füllte sich schnell und dabei entstanden interessante Bilder im Kopf und die Frage: Wo wird man wohl einmal ein wohlsituiertes Leben verbringen? In Paris oder doch in einer kleinen Stadt im Süden? Blumen und Brot bekommt man wohl in beiden, aber welcher Ort wird wohl die Ausgeglichenheit geben, die meine linken Füße manchmal suchen? Oder ist es albern, sich über solche Dinge Gedanken zu machen?

Ja, es wurde viel gedacht an diesem Wochenende und noch viel mehr gefühlt. Und das brachte durcheinander. Es kommt ein schlechtes Gewissen auf, es nagt richtig an mir, so als würde man die Rinde eines Astes abkratzen. Ich habe lange nicht mehr meine Entscheidung im Ausland zu leben, so intensiv mit der Abwesenheit meiner Familie gespürt. Liegt es daran, dass bald Weihnachten kommt und mich das jedes Jahr in eine komische, leicht depressive Stimmung versetzt?

Ich las am Freitag, im Zug, einen Artikel über das Thema der Nationalität und ihrer Wichtigkeit. Heutzutage haben viele Kinder Eltern mit unterschiedlicher Herkunft. Wir können uns überallhin deplatzieren, verreisen, austauschen, anrufen, einen Wohn-und Arbeitsort suchen, unsere Familie erweitern. Heißt das aber auch, im Folgenden, sich mit dem Begriff der Nationalität auseinanderzusetzen? Und ist das etwas, dass sich administrativ festhalten lassen kann? Wie der Begriff „Heimat“ oder „Zuhause“… sind das Dinge, die sich genauestens definieren lassen können? Und, wenn mich jemand „rastlos“ oder „ruhelos“ nennt, glaubt er dann, ich kenne nicht mein Ziel oder denkt er, ich strebe den Opportunitäten nach? Ich sage seit Jahren schon, dass ich aus Paris komme. Deutschland erwähne ich dabei nicht. Ich erkenne nicht den Grund, es zu erwähnen. Spielt es doch in erster Linie keine Rolle, woher ich komme, sondern wo ich mich aufhalte und wo ich vorhabe, mich zu entwickeln, zu wachsen, vielleicht sogar über mich hinauszuwachsen.

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